Blasse Erinnerung

Einst marschierten hier hunderte adrette Soldaten der Sowjetarmee an der Ehrentribüne und an den zwei frisch gemalten Wandbildern vorbei. Das ist heute aber nur noch eine blasse Erinnerung an vergangene Zeiten. So blass wie die Farbe der zwei sowjetischen Stelen: Die eine zeigt einen Rotarmisten, die zweite Lenin. Obwohl der sowjetische Revolutionsführer schon fast 30 Jahre lang der Verwahrlosung preisgegeben wurde, ist er noch mit seinem steinernen Blick und der siegessicheren Ausstrahlung am ehemaligen Paradeweg erhalten.

Das Militärgebiet in Kapen (Sachsen-Anhalt) wurde während der Nazizeit eingerichtet und 1945 von der Roten Armee übernommen. Wenige Jahre später entstand in einem Teil der Anlage, wo sich heute der Dessora Industriepark befindet, der VEB Chemiewerk Kapen“, während der andere Teil von der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland als Artillerie-Munitionslager genutzt wurde. Nach dem Zerfall der UdSSR übergab die Sowjetarmee alle Militärkomplexe der deutschen Verwaltung und so erfolgte am 28.9.1992 auch die Übergabe des Munitionslagers in Kapen. Seitdem stehen die Räumlichkeiten leer.

Viele Gebäude sind eingestürzt, andere sind akut gefährdet. Es gibt allerdings auch Häuser, die ganz gut erhalten sind und wo man noch einige Spuren und Hinterlassenschaften der Sowjetarmee finden kann. Die Kantine, die Sporthalle und das Theater sind einige der Sehenswürdigkeiten dieser Geisterstadt. An der Außenwand des Theaters sind noch einige kleine Wappen mit Jahreszahlen (1928, 1931, 1945 (inzwischen unleserlich), 1948, 1956, 1968) zu erkennen. Lenins Kopf ist dort gleich zweimal abgebildet.

In einem anderen Teil des Areals, in dem inzwischen Bäume und Sträucher wuchern, kann man auf die zwei bemalten Wände treffen. Beide haben im Zentrum eine ca. 4 Meter hohe Betonstele. Die rechte präsentiert einen Rotarmisten mit einem Gewehr in der Hand. Sein kühner Blick verliert sich in der Ferne. Die linke Stele zeigt ein Seitenporträt Lenins, der häufig als Inspirationsquelle und Kraftgeber für die Sowjetarmee dargestellt wurde. Sein Kopf ist seitlich gewandt, der Blick richtet sich allerdings dem Betrachter zu. Die Inschrift „CCCP“ überdeckt teilweise das Porträt. Auf dem unteren Teil der Stele ist ein Rotarmist mit Helm zu sehen, der dem Bild einen kämpferischen Geist verleiht. An der rechten Wand neben der Stele kann man noch den Roten Platz in Moskau und das Wort „Bereitschaft“ in kyrillischen Buchstaben erkennen.

Es ist immer wieder erstaunlich zu sehen, wo sich einige Darstellungen Lenins versteckt hielten, um den großen Bildersturm gegen sie zu überleben. Ironie des Schicksals: Es waren oft das Verlassen und die Verwahrlosung, die diese Leninfiguren in Vergessenheit geraten und bis zum heutigen Tag bestehen ließen.

ENGLISH

Pale memory

Once hundreds of neat soldiers of the Soviet Army marched here past the tribune of honour and the two freshly painted murals. Today, however, this is only a pale memory of times past. As pale as the colour of the two Soviet steles: One shows a Red Army soldier, the other Lenin. Although the Soviet revolutionary leader has been abandoned for almost 30 years, his stony gaze and charisma still remain on the former parade trail.

The military area in Kapen (Saxony-Anhalt) was created during the Nazi period and was taken over by the Red Army in 1945. A few years later, the VEB „Chemiewerk Kapen“ was built in the part of the site where the Dessora industrial park is located today, while the other part was used by the Group of Soviet Forces in Germany as an artillery ammunition depot. After the collapse of the USSR, the Soviet Army handed over all military complexes to the German administration, and so on 28.9.1992 the ammunition storage facility in Kapen was also handed over. Since then the premises have been empty.

Many buildings have collapsed, others are in acute danger. But there are also houses which are quite well preserved and where you can still find some traces and legacies of the Soviet Army. The canteen, the sports hall and the theatre are some of the sights of this ghost town. On the outer wall of the theatre there are still some small emblems with dates (1928, 1931, x (1945, now unreadable), 1948, 1956, 1968). Lenin’s head is shown there twice.

In another part of the area, where trees and bushes are growing in the meantime, you can meet the two painted walls. Both have a concrete stele in the center, about 4 meters high. The one on the right presents a Red Army soldier with a weapon in his hand. His audacious look gets lost in the distance. The left stele shows a side portrait of Lenin, who was often depicted as a source of inspiration and strength for the Soviet Army. His head is turned sideways, but his gaze is turned towards the viewer. The inscription „CCCP“ partially covers the portrait. On the lower part of the stele a Red Army soldier with a helmet can be seen, which gives the picture a combative spirit. On the right wall next to the stele you can still see Moscow’s Red Square the word „readiness“ written in Cyrillic letters.

It is always astonishing to see where some of Lenin’s representations were hiding to survive the great iconoclasm against them. Irony of fate: it was often abandonment and neglect that caused these Lenin figures to fall into oblivion and remain until the present day.

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