DEUTSCH
Gelbes Mosaik vor dunkelgrauer Geräuschkulisse
Während des Dritten Reiches erbaut, von der Roten Armee übernommen, Anfang der 90er Jahre verlassen. Die in Ostdeutschland wohl bekannte chronologische Sequenz trifft auch auf das Militärgelände am Flugplatz in Brand zu, heute eine von vielen verwahrlosten Anlagen der sowjetischen Streitkräfte auf deutschem Boden. Seit 1992 wird der Komplex nicht mehr benutzt, und wenn man durch seine einsamen Wege herumirrt, fühlt man sich wie in einem Gruselfilm. Überall sind Ruinen und auch gut erhaltene aber komplett leer geräumte Wohnblocks zu sehen, die langsam von den heranwachsenden Bäumen verschleiert werden. Die Geräuschkulisse, die dieses Szenario des Verfalls begleitet, ist besonders beängstigend: Fenster knirschen, Deckenplatten schaukeln quietschend hin und her, immer wieder knallt eine Tür – die Geisterstadt findet keine Ruhe! Inmitten dieser unheimlichen Atmosphäre ist das im westlichen Teil der Anlage liegende Mosaikbild Lenins, eine Oase der Munterkeit. Die starken Farben, die harmonische gelbblaue Kombination und der freundliche Gesichtsausdruck des kommunistischen Führers stehen hier in einem klaren Kontrast zur düsteren Umgebung.
Der Flugplatz in Brand entstand aus einem 1938 eingerichteten Fliegerhorst für die Luftwaffe der deutschen Wehrmacht. Nach dem II. Weltkrieg übernahm die Rote Armee die Anlage und baute sie mit neuen Landebahnen, Flugzeughallen, Wohngebäuden, Kraftstofflagern und Munitionsbunkern aus. Der gesamte Komplex blieb mehr als 40 Jahre unter sowjetischer Verwaltung, bis er 1992 der Bundesrepublik Deutschland übergeben wurde. Seitdem wird der südliche Bereich, auf dem sich fast alle Bauten befinden, nicht mehr benutzt. Im nördlichen Teil des Areals, unweit der Landebahnen, wurde Ende der 90er Jahre eine riesige Werfthalle errichtet, um Luftschiffe zu bauen. Nachdem die dafür verantwortliche Firma – Cargolifter AG – im Jahr 2002 Insolvenz anmeldete, übernahm schließlich ein asiatisches Unternehmen die Halle und verwandelte sie in einen tropischen Vergnügungspark. Und das nur knapp 500 Meter von den sowjetischen Ruinen entfernt! Tatsächlich ist der Anblick des verfallenen Militärstädtchens so unwirklich und eindrucksvoll, dass man denken könnte, es sei bloß eine Erweiterung des hiesigen exotischen Freizeitangebots…
Den Anblick des Bereichs der Wohnblocks würde man eher mit einem Traum oder einem Fiktionsfilm in Verbindung setzen. Die Gebäude sind zum Teil sehr gut erhalten und man könnte sich fast wie in einem x-beliebigen Wohnviertel irgendeiner deutschen Kleinstadt fühlen – wenn da nicht die kaputten Fenster und der Umhang blühender Pflanzenwelt wären. Sogar innerhalb der leer stehenden Wohnungen beginnen Sträucher und Bäume zu wachsen. Unweit der Unterkünfte bietet die Sporthalle der ehemaligen Schule die nächste bizarre Erscheinung: Die Decke ist komplett herabgestürzt, aber an den Außenwänden, auf beiden Seiten eines Trümmerhaufens aus morschen Holzbalken und verbogenen Deckenplatten, hängen noch stoisch die weiß-roten Backboards der ehemaligen Basketballkörbe.
Weiter westlich findet man ein großes Gebiet, in dem sehr wenig von den alten einstöckigen Bauten übrig geblieben ist – höchstens die Außenwände. Aber just zwischen diesen Skelettkonstruktionen sind noch zwei symbolträchtige Überbleibsel der sowjetischen Präsenz erhalten. Der steinerne Kopf eines Soldaten steht hier noch unauffällig an einer Stelle, wo es früher einen Fahnenmast gab. Nur der von einem Nostalgiker auf den Helm gemalte rote Stern hebt die graue Skulptur von der mattfarbigen Umgebung ein bisschen ab. Das Lenindenkmal ist dagegen einfach nicht zu übersehen. Schon aus der Distanz kann man die Darstellung des kommunistischen Helden als Mosaikpuzzle sehen. Aus Respekt oder vielleicht auch einfach aus Bange weichen hier sogar die Büsche und Bäume aus: Vor dem Denkmal gibt es nichts, was – vom alten Weg des Militärgeländes aus gesehen – die Sicht auf den kommunistischen Helden versperren könnte. Und damit haben wir das letzte außergewöhnliche Bild des Tages: inmitten zerbröckelnder Ruinen und umrahmt von wildwüchsiger Natur steht ein gut erhaltener, leicht lächelnder Lenin in extravaganten gelben Farbtönen…
ENGLISH
Yellow mosaic in front of spooky soundscape
Constructed during the Third Reich, taken over by the Red Army after the war, abandoned in the early 90s. This chronological sequence, typical for many Soviet military areas in East Germany, also applies to the old airport in Brand. This complex is out of use since 1992 and if you walk along its paths it feels like being in a horror movie… Everywhere you look, you find ruins and empty buildings, camouflaged behind the trees that are growing wildly around this area. The soundscape, which accompanies this desolating scenario is specially scaring: windows crunch, squealing panels balance from the ceilings, you hear doors slamming – the little ghost town just can’t find a rest! In the middle of this spooky atmosphere the mosaic of Lenin is like an oasis of vivacity: The strong colors, the harmonic blue and yellow combination and the friendly facial expression of the communist leader form a clear contrast to the dusky surrounding.
The airfield in Brand was built in 1938 by the German Air Force. After World War II the Red Army took the control and decided to expand it with new airstrips, hangars, residential areas, fuel storages and ammunition bunkers. For over 40 years – until the retreat in the year of 1992 – this airbase was administrated by the Soviet military. Since then the southern part of the airport, where most of the buildings are, is out of use. In the northern part, near the airstrips, a huge pavilion was constructed, planed to be one of the most modern airship factories in Europe. But the responsible company – Cargolifter AG – went broke in 2002, so that in the end it was an Asian firm, who took over the place, in order to create a tropical amusement park, just 500 meters away from the Soviet ruins! The abandoned military city is so unreal and impressive, that it could seem to be just an expansion of the local leisure facilities.
Specially the housing blocks offer a scenario, which you would rather relate to a dream or a fiction movie. Many buildings are still very well preserved and you could think you are in a current residential area in any little German town, if it wasn´t for the broken windows and the curtains of vegetation covering up the walls and the doors. Even inside and on the roof of the houses you can already find trees and bushes growing. Not far away from here the former school offers the next bizarre sight: the ceiling of the sports pavilion has collapsed, but on the walls, at both sides of a huge wreckage pile with wooden beams and twisted ceiling panels, there are still hanging stoically the white and red backboards of the old basketball court.
Heading to the West, you will find an area with a lot of ruins of former military constructions – only the exterior walls are still standing. And it’s here among these building carcasses, that two Soviet remainders full of symbolism can still be found. Next to a former flagpole stands the sculpture of the head of a soldier. With its stony colour it is hard to distinguish it from the dun-coloured background and the only element, which sticks out is a red star on his helmet, probably painted by some nostalgic visitor. On the contrary, the Lenin monument is just impossible to be overlooked. From the distance you can already see the representation of the communist hero in the form of a mosaic-puzzle. As a sign of respect or maybe just as a consequence of fear even the vegetation goes aside: In front of the monument there is not one single bush or tree that could block the view. And so we have the last remarkable image of the day: between crumbling ruins and framed by wild growing vegetation the extravagant yellow Lenin with his imperturbable smile…
In der DDR gab es ein Buch mit diesem Mosaik als Cover: „Lenin. Erzählt von vielen.“
Ein Gedanke zu “Gelbes Mosaik vor dunkelgrauer Geräuschkulisse”